Am westlichen Rand der Altstadtinsel, direkt gegenüber der Musik- und Kongresshalle, steht an der Untertrave 97 ein schmaler fünfgeschossiger Speicher mit neugotischer Backsteinfassade und Stufengiebel. 1871 ließ ihn die reiche Kaufmannsfamilie Linau als Lagerhaus erbauen. Im Bereich des Erdgeschosses ziert oberhalb der Fenster auf der linken Seite ein ungewöhnlicher Bauschmuck die Fassade: Ein fast vollplastisch ausgeführter Bienenkorb mit aufgemalten Bienen ist in eine kleine Mauernische eingepasst. Biene und Bienenstock sind bereits seit der Antike beliebte, vielschichtige Bedeutungsträger. Die Biene besitzt so viele positive Eigenschaften, dass sie im Mittelalter sogar als ein Symbol für die Jungfrau Maria verwandt wurde; der Bienenkorb wurde zu einem Sinnbild der Kirche. Bei der Deutung des Bienenkorbes in der Fassade des Kaufmannshauses legt der Bauzusammenhang jedoch einen profaneren Ansatz nahe: Die Biene steht hier für die (Händler-)Tugenden Fleiß und Beharrlichkeit, der Bienenkorb steht für Ordnung und ist zugleich als Honiglager das natürliche Pendant zu dem aus Backstein erbauten Speicher.