Am Eingangsportal des Johanneums erinnert eine schlichte Bronzeplakette an Willy Brandt, den wohl berühmtesten Schüler des Lübecker Traditionsgymnasiums. Die plastisch ausgearbeitete Inschrift lautet „Der Lübecker Ehrenbürger / WILLY BRANDT / Bundeskanzler von 1969-1974 / Friedensnobelpreisträger / war Schüler des Johanneums zu Lübeck / von 1928-1932“.
Das Johanneum kann als die älteste Schule Lübecks auf eine jahrhundertealte Geschichte zurückblicken. Als erste Lateinschule wurde sie im späten 12. Jahrhundert am Domstift Lübeck gegründet und stand als Gelehrtenschule ersten Ranges den Jungen der städtischen Oberschicht offen. Im Zuge der Reformation verlor sie später gegenüber dem Katharineum an Bedeutung. Mit einer Schulreform Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Schule künftig als niedere Realschule geführt. 1872 erfuhr sie jedoch eine Aufwertung zur „höheren Bürgerschule“, die einher ging mit einem Umzug in den ehemaligen Bischofssitz am Domkirchhof. Durch einen starken Anstieg der Schülerzahlen wurde 1906 ein erneuter Umzug notwendig, die Schule zog in einen Neubau auf dem Grundstück des ehemaligen Johanniterklosters, bis heute Adresse der Schule. Aufgrund dieses neuen Standortes erhielt das Johanneum auch erst seinen Namen. Ab 1910 wurde das Johanneum zum Realgymnasium, ab 1923 kam als zweiter Zug eine „Deutsche Oberschule“ hinzu.
Willy Brandt wurde 1913 unter seinem Geburtsnamen Herbert Ernst Karl Frahm im Lübecker Stadtteil St. Lorenz als uneheliches Kind einer Verkäuferin und eines Lehrers geboren. Seit seinem fünften Lebensjahr wurde er in erster Linie von seinem Stiefgroßvater erzogen. Nach Besuch der St. Lorenz Knaben-Mittelschule wechselte er 1927 zunächst an die von Großheim’sche Realschule. Von 1928 bis 1932 konnte er, da ihm das Schulgeld erlassen wurde, das Johanneum besuchen, wo er 1932 auch das Abitur ablegte. Geprägt durch die linkspolitische Einstellung seines Großvaters stand Brandt schon früh dem Sozialismus nahe, seit 1927 publizierte er politisch motivierte Texte. 1929 wurde er Mitglied der Sozialistischen Arbeiter-Jugend, 1930 trat er der SPD bei, ein Jahr später wechselte er zur Sozialistischen Arbeiter-Partei über. Infolge seines Engagements war Brandt in die politischen Auseinandersetzungen dieser Zeit zwischen nationalistischen und sozialistischen Lagern verwickelt, welche die Oberschulbehörde und der Direktor des Johanneums von der Schule fernzuhalten versuchten. Ebenso wie einige andere Schüler wurde Brandt wegen des Tragens politischer Abzeichen und der Teilnahme an politischen Kundgebungen 1931 gemaßregelt.