(* 1882 Zarrentin bei Schwerin, † 1968 Lübeck)
Eines der letzten sichtbaren Relikte der ehemaligen Lübecker Straßenbahn ist das Trafo-Haus an der Travemünder Allee, das auch als Wartehäuschen für die Fahrgäste diente. Als schmückendes Element schuf Otto Mantzel 1938 einen großen Holzgiebel mit figürlichen Reliefs für den ansonsten schlichten Backsteinbau. Der Bildschmuck innerhalb des dreieckigen Giebelfeldes gliedert sich in drei Ebenen. Heutzutage sind folgende Motive zu erkennen: Ganz oben in einem einzelnen, zentralen Bildfeld die Darstellung einer thronenden (?) Gestalt in einem weiten Gewand; in der Reihe darunter im linken Zwickel ein Reh, in den drei Hauptfeldern von links nach rechts ein säender Mann, eine Frau mit Kind auf dem Arm und ein Landmann mit einer Sense über der Schulter, das rechte Zwickelfeld ist leer; in der untersten Reihe von links nach rechts eine Frau mit einem Tablett (eine Kellnerin; nach anderer Lesart eine Krankenschwester), ein Zimmermann auf der Walz, ein Wanderer mit Rucksack, ein Postbote und ein Jäger mit Gewehr im Anschlag. Der unter dem reliefierten Giebel verlaufende Holzbalken gibt das Jahr der Entstehung „1938“ an.
Die ursprüngliche Fassung, die Mantzel in jenem Jahr schuf, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg verändert, da der originale Giebelschmuck verschiedene nationalsozialistische Motive und Hakenkreuzsymbole enthielt. Eine Figur wurde daher komplett ersetzt, an anderer Stelle wurden Details abgeändert. So befand sich im Zentrum der Darstellung anstelle der Frau mit Kind ein Fahnenträger mit einer großen Hakenkreuzfahne über der Schulter und der Wanderer mittig in der untersten Reihe war ein marschierender Soldat mit geschultertem Gewehr. Zwischen den Ziffern „19“ und „38“ der Datierung war ursprünglich ein Hakenkreuz eingraviert, das zu einem unverfänglichen Rautenmuster umgeformt wurde. Andere Elemente der ursprünglichen Darstellung waren im Laufe der Kriegsjahre offenbar beschädigt worden, weswegen man sie ersetzte bzw. ersatzlos entfernte. Die Figur eines Zimmermanns mit Säge unter dem Arm und Beil über der Schulter wurde gegen die Frauengestalt mit Tablett ausgetauscht. Der Zimmermann auf der Walz stützte seinen Stock ehemals auf dem Boden ab und trägt ihn jetzt auf die Schulter gelegt. Der Jäger rechts unter wurde einst von zwei Dackeln begleitet, die sich heute nicht mehr wiederfinden, der Postbote trug ursprünglich einen Spazierstock und eine Rückentrage mit Paketen. Das rechte Zwickelfeld ganz oben enthielt früher eine Katze, auch der linke Zwickel beherbergte wohl eine Darstellung, die sich auf den alten Fotos jedoch nicht erkennen lässt. Der rechte Zwickel in der Reihe darunter zeigte einen Flöte spielenden Jungen, alle drei Felder sind heute leer.
Seine künstlerische Ausbildung erhielt der aus Zarrentin stammende Otto Mantzel an der Lübecker Kunstschule von Willibald Leo von Lütgendorff-Leinburg. Ab 1917 war Mantzel Bürger der Stadt Lübeck und unterhielt in der Kleinen Burgstraße ein Atelier. Er firmierte als Stein-, Stuck- und Holzbildhauer und bildete auch Lehrlinge aus, unter ihnen Erich Prüßing von 1926 bis 1930. Ab Ende der 1920er Jahre schuf Mantzel Werke für den öffentlichen Lübecker Stadtraum und arbeitet auch als Restaurator.