Das in einen schlichten Backsteinbau eingelassene Relief zeigt Christus am Kreuz, zu seiner Rechten und Linken Maria und Johannes. Vier schwebende Engel fangen das aus seinen Nagelwunden und seiner Seitenwunde dringende Blut in Messkelchen auf und betonen damit den sakramentalen Charakter des Opfertodes Christi. Die Gebeine am Kreuzesstamm kennzeichnen den Hügel als Kalvarienberg (Schädelstätte), vor ihnen erkennt man das Wappen der Familie des Stifters. Die Kreuzigungsgruppe bildet den Endpunkt des Lübecker Kreuzwegs, des ältesten Kreuzwegs in Deutschland.
Dem historischen Vorbild folgend genau 1650 Meter lang führte dieser von St. Jakobi zunächst die Breite Straße entlang zum Kanzleigebäude und wieder zurück durch die Große Burgstraße, das Burgtor und über das Burgfeld zur letzten Station auf dem sogenannten Jerusalems-Berg. Der Überlieferung nach unternahm der Lübecker Kaufmann und Ratsherr Hinrich Konstin im Jahr 1468 eine Pilgerreise ins Heilige Land, um Buße zu tun und Ablass von seinen Sünden zu erlangen. In seine Heimatstadt Lübeck zurückgekehrt, veranlasste er in Erfüllung eines Gelübdes die Errichtung des Kreuzwegs als Nachbau der Via Dolorosa in Jerusalem. Dessen Vollendung im Jahr 1493 erlebte er nicht mehr. Als Konstin 1482 starb, gewährleistete er die Fertigstellung des Kreuzwegs jedoch, indem er der Stadt sein Vermögen vermachte. Im Zuge der Reformation verlor der Kreuzweg an Bedeutung. Von den ehemals sieben Stationen sind heute nur noch die erste und die letzte Station erhalten, die übrigen wurden im 17. und 18. Jahrhundert zerstört. Seit 1994 wird der Kreuzweg am Karfreitag von Protestanten und Katholiken gemeinsam wieder neu begangen.
Der Jerusalemsberg zu Lübeck, in: Vaterstädtische Blätter, hrsg. von der Vaterstädtischen Vereinigung Lübeck, Nr. 50, 9. Dez. 1906, S. 203ff.
Der Jerusalemsberg zu Lübeck, in: Vaterstädtische Blätter, hrsg. von der Vaterstädtischen Vereinigung Lübeck, Nr. 51, 16. Dez. 1906, S. 207f.
Johannes Baltzer, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Freien und Hansestadt Lübeck. Bd. 4: Die Klöster. Die kleineren Gotteshäuser der Stadt. Die Kirchen und Kapellen in den Außengebieten. Denk- und Wegekreuze und der Leidensweg Christi, Lübeck 1928.
Hugo Rahtgens, Friedrich Bruns, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Hansestadt Lübeck. Bd. 1, Teil 2: Rathaus und öffentliche Gebäude der Stadt, hrsg. vom Amt für Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck, Lübeck 1974.
Klaus Bernhard, Plastik in Lübeck. Dokumentation der Kunst im öffentlichen Raum (1436-1985) (Veröffentlichungen des Senates der Hansestadt Lübeck, Amt für Kultur, hrsg. von Hans-Gerd Kästner, Reihe B, Heft 8), Lübeck 1986.
Iris Wenderholm (Hrsg.), „Ein zweites Paradies“. Spätmittelalterliche Sakralräume in Lübeck und ihre bildliche Ausstattung, Universität Hamburg Kunstgeschichtliches Seminar, Hamburg 2010.
Karl Klotz, Der älteste Kreuzweg Deutschlands - neu gestaltet, in: Lübeckische Blätter, 9, 2014, S. 133f.