(* 1913 Werdum / Posen, † 2006 Lübeck)
Die Wandmalerei, die Gertraud Boelter-Evers für die Eingangsdiele des ehemaligen Jugendheims Eichholz schuf, wirkt in ihrer leuchtenden Farbigkeit wie ein von hinten beleuchtetes Glasfenster. Auch stilistisch imitiert die wandfüllende Arbeit eine Bleiverglasung, denn ihr Motiv setzt sich scheinbar aus individuell zugeschnittenen, jeweils monochromen Farbfeldern zusammen, die durch schwarze Stege aneinandergefügt sind. Dem Betrachter bietet sich ein stark stilisiertes, gestaffeltes Panorama der Hansestadt Lübeck, welches von klaren Blautönen und warmen, nuancierten Rot- und Rosatönen bestimmt wird. Allein durch diese Farbwahl fängt die Künstlerin den Charakter der von Wasser und Backsteinbauten dominierten Stadt ein. Bauliche Wahrzeichen Lübecks wie das Rathaus, das Holstentor und das Burgtor sind klar zu identifizieren, auch die typischen mittelalterlichen Giebelhäuser. Im mittleren Bereich der Wandmalerei hat Boelter-Evers in einer durchgehenden Reihung die sieben Kirchtürme der fünf Lübecker Hauptkirchen mit ihren jeweiligen architektonischen Charakteristika aneinandergefügt; hier sind von links nach rechts die Türme von St. Jakobi, St. Marien, St. Petri, St. Aegidien und dem Dom zu erkennen. Links oben findet sich die Fassade des Heilig-Geist-Hospitals mit ihren vier schlanken Türmen. Ergänzt wird die Stadtansicht durch die Darstellung einer Eisenbrücke, wohl der Hubbrücke, sowie verschiedener Schiffe. Die rechte obere Ecke ist einer abstrakten Zusammenstellung geometrischer Formen vorbehalten, in deren Zentrum wohl die Sonnescheibe steht. Das Spiel mit stark stilisierten sowie rein grafisch-abstrakten Formen ist typisch für die künstlerischen Arbeiten der Gebrauchsgrafikerin Boelter-Evers.
Die Familie der 1913 in Posen geborenen Gertraud Boelter wurde nach dem Ersten Weltkrieg von dort vertrieben und siedelte sich in Wanne-Eikel im Ruhrgebiet an. Nach dem Abitur 1933 bewarb sich Boelter mit Erfolg um einen Studienplatz bei den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin. Sie studierte Gebrauchsgrafik bei Ernst Böhm und O.H.W. Hadank, nebenbei war sie als Werkstudentin tätig. Nach dem Studium arbeitete Boelter für das Berliner Warenhaus Wertheim und für einen Verlag, zudem lieferte sie Zeichnungen für die Presse. Mitte der 1940er Jahre zog sie nach Lübeck um, wo sie ihren späteren Ehemann, den Grafiker Werner Evers, kennenlernte. Die beiden begannen in einem gemeinsamen Atelier freischaffend zu arbeiten, 1946 gehörten sie zu den Gründungsmitgliedern der Gemeinschaft Lübecker Maler und Bildhauer. Neben ihrer vielfältigen Tätigkeit als Gebrauchsgrafikerin unterrichtete Boelter-Evers an einem Gymnasium und einer Berufsschule und gab Zeichenkurse an der Volkshochschule. Ihre Arbeiten wurden in mehreren Gruppenausstellungen gezeigt, rund 20 Werke entstanden als „Kunst am Bau“ in Lübeck und anderen norddeutschen Städten.