(* 1928 Flensburg, † 1981 Reinbek bei Hamburg)
Der Thomas-Mann-Stein wurde 1975 anlässlich des 100. Geburtstages Thomas Manns am ehemaligen Standort seines Elternhauses in der Breiten Straße 38 errichtet. In dem vom Vater erbauten Haus verlebte Thomas Mann gemeinsam mit seinem Bruder Heinrich seine Kindheit. Der Garten des Hauses grenzte unmittelbar an das Grundstück Mengstraße 4, in dem die Großeltern lebten und das später als Buddenbrookhaus Berühmtheit erlangte. Ulrich Beier wählte für das Denkmal zu Ehren des berühmten Literaten und Sohnes der Hansestadt Lübeck die Form eines stilisierten Buches, dessen Seiten sich gleichsam wie durch einen Luftzug aufzublättern scheinen. Die auf ihnen geschriebenen Texte benennen Stiftungsanlass und Stifter und zitieren Auszüge aus Werken Thomas Manns. Umlaufend von links nach rechts ist hier auf vier „Doppelseiten“ Folgendes zu lesen:
„HIER STAND DAS / HAUS / BREITE STRASSE 38 / IN DEM / THOMAS MANN / SEINE KINDHEITS / JAHRE 1875/1882 / VERBRACHTE. / DAS HAUS / BRANNTE 1942 AB. / THOMAS MANN / WURDE / AM 6. JUNI 1875 / IN LÜBECK / GEBOREN. / ER STARB AM / 12. AUGUST 1955 / IN ZÜRICH. // 1929 ERHIELT ER / DEN NOBELPREIS / FÜR LITERATUR / ER WAR / EHRENBÜRGER / DER HANSESTADT / LÜBECK. / ES KAM DER TAG / UND DIE STUNDE / WO MIR KLAR WURDE / DASS NIEMALS DER / APFEL WEIT VOM / STAMME FÄLLT DASS / ICH ALS KÜNSTLER VIEL / ECHTER VIEL MEHR EIN / APFEL VOM BAUME / LÜBECKS WAR ALS ICH / GEAHNT HATTE.“
(aus dem Essay „Lübeck als geistige Lebensform“, 1926)
„NIEMAND / VON UNS / WEISS, WIE / IN WELCHEM / RANG ER / VOR DER / NACHWELT / STEHEN, VOR / DER ZEIT / BESTEHEN / WIRD / WENN ICH / EINEN / WUNSCH / FÜR DEN / NACHRUHM / MEINES / WERKES HABE, // SO IST ES / DER, / MAN / MÖGE / DAVON / SAGEN, / DASS ES / LEBENS / FREUND / LICH IST, / OBWOHL / ES VOM / TODE / WEISS.“
(aus der Rede zur Feier des 50. Geburtstages, 1925)
„ICH WAR / LEBENSWILLIG / UND / DAS HEISST / LERNWILLIG / SEIN. / ICH HÄTTE ES / FÜR EIN / GROSSES / UNGLÜCK / GEHALTEN, / WENN NICHT / DAS DEUTSCHE / VOLK SELBST / DIESE EIGEN / SCHAFTEN / BESESSEN / HÄTTE. / JA, WENN ICH / NICHT HÄTTE / GLAUBEN / DÜRFEN, / SIE VON IHM / EMPFANGEN / ZU HABEN, / UND ALS / SCHRIFTSTELLER / SUCHTE ICH / ES IN IHNEN / ZU / BEKRÄFTIGEN.“
(aus dem Essay „Gruß an das Reichsbanner“, 1929)
„DIESER / STEIN / WURDE / ANLÄSSLICH / DES 100. / GEBURTS / TAGES / THOMAS / MANNS / VON DER / LANDESBANK / ERRICHTET“.
Eine fünfte „Doppelseite“ zeigt zeichenhaft Pfeil und Bogen sowie eine Lyra, die Attribute des griechischen Gottes Apoll, Gott der Dichter und Sänger, die Thomas Mann stets seinen Büchern in Gold aufprägen ließ.
Ulrich Beier absolvierte in seiner Geburtsstadt Flensburg eine dreijährige Holzbildhauerlehre bei Christian Brodersen und studierte dann von 1948 bis 1952 Bildhauerei in den Werkstätten des Hamburger Baukreises bei dem Maillol-Schüler Richard Steffen. Im Jahr seines Abschlusses erhielt er ein Ernst-Preczang-Stipendium in Luzern. Bis 1958 arbeitete Beier als Assistent seines ehemaligen Dozenten Richard Steffen und war zugleich bereits als freischaffender Bildhauer tätig. Ab 1962 war er Mitglied der Gruppe 56 Schleswig-Holstein. Studienreisen führten den Künstler zwischen 1964 und 1974 in die Türkei, 1976/77 ging er für einen längeren Arbeitsaufenthalt in die USA. Seine Arbeiten für den öffentlichen Raum finden sich in Hamburg, Schleswig-Holstein und den USA und wurden mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Ein Jahr vor seinem Tod erhielt Beier den Preis „Kunst und Architektur“ für die Arbeit Bodensonnenuhr mit dreiteiliger Gnomongruppe in Lübeck.
Jens Christian Jensen, Ulrich Beier, Bildhauer. Werkverzeichnis, Hamburg 1992.