Künstler:in
Titel
Fassadenschmuck Hermen, Karyatide, Maskarons
Datierung
Ende 19. Jh.
Technik
Stuckgips
Beschreibung

Ein typisches Beispiel für den späten Historismus ist das Wohnhaus in der Marlesgrube 69-71. Unter dem Begriff Historismus versteht man eine stilgeschichtliche Epoche, die sich etwa ab 1850 bis kurz vor Beginn des Ersten Weltkrieges verorten lässt und in der architektonisch auf die Baustile früherer Epochen zurückgegriffen wurde. Unterscheiden lassen sich hier Neoromanik, Neogotik, Neorenaissance und Neobarock, ein wesentliches Merkmal des Historismus ist aber auch gerade das freie Kombinieren und Vermischen verschiedener stilhistorischer Elemente.

 

Die Fassadengestaltung dieses Hauses entlehnt sich in erster Linie aus der Renaissance und greift damit auch Elemente der griechischen und römischen Antike auf. Typisch für die Stilistik der Renaissance ist die klare Abgrenzung der einzelnen Geschosse durch den Einsatz unterschiedlicher Schmuckelemente. Die Sockelzone, auch farblich vom Rest der Fassade abgegrenzt, weist ein Rustikamauerwerk auf, zudem sind Fenster- und Türöffnungen als Rundbögen gearbeitet. Die beiden äußeren Rundbogenöffnungen werden von sogenannten Maskarons, plastisch ausgearbeiteten Masken, bekrönt. Auf der rechten Seite ist ein Medusenhaupt, der von Schlangen umgebene Kopf der Medusa aus der antiken Mythologie, zu erkennen. Auf der linken Seite findet sich der Kopf eines bärtigen alten Mannes mit einer schweren Kette, eine Darstellung, die sich einer klaren Deutung entzieht. Zwischen den beiden mittleren Fenstern trägt eine Karyatide, eine Mädchengestalt, die als tektonische Stütze dient, den darüber liegenden mächtigen, zweistöckigen Erker.

 

Im ersten Stockwerk werden die Fensteröffnungen jeweils von einer schmückenden Balustrade unterfangen. Die beiden seitlichen Fenster sind jeweils flankiert von einer weiblichen und einer männlichen Herme, einer menschlichen Büste, die sich nach unten hin in einem Pfeiler fortsetzt. Diese Hermen tragen die Dreiecksgiebel über den Fenstern, durch welche dieses erste Geschoss eine besondere optische Betonung erfährt. Die seitlichen Fenster des zweiten Geschosses werden bekrönt von Gesimsen, über denen Kartuschen, runde Motivfelder, angebracht sind. Der zweistöckige Erker findet durch den über dem mittigen Fenster angebrachten Dreiecksgiebel in diesem Stockwerk seine besondere Betonung. Die Pfeiler, die die mittleren Erkerfenster auf beiden Etagen flankieren, weisen im ersten Stock Kapitelle im ionischen Stil, im zweiten Stock im korinthischen Stil auf und entsprechen damit der antiken Säulenordnung. Im dritten Stockwerk sind die Fenster gänzlich schmucklos gehalten, mit Ausnahme der mittleren Rundbogenöffnung, die von einem geschwungenen Gesims und einer Wappenkartusche mit einem menschlichen Kopf betont wird. Das Dachgeschoss wird schließlich durch drei Zwerchgiebel aufgebrochen, deren mittlerer wiederum eine weibliche und eine männliche Herme aufweist und seitlich in Voluten ausschwingt. Wie auch die Kartuschen sind diese Zwerchgiebel eher als Elemente der barocken Bauplastik anzusehen.

Kategorie
Bauplastik/-skulptur
Standort
Marlesgrube 69-71, Fassade
Literatur
Peter W. Kallen, Skulptur am Bau in der Lübecker Altstadt, Lübeck 1990.